11.08.2023 – 11:26 Uhr: Seit unserer Abreise aus Long Beach vor drei Tagen, haben wir mehr als 700 Meilen zurückgelegt, das sind umgerechnet etwa 1.230 Kilometer – mehr als Deutschland zwischen Nord und Süd lang ist. Okay – wir haben einen 300-Meilen-Umweg zum Yosemite-Park gemacht, was ungefähr der Luftlinienentfernung zwischen Berlin und Köln entspricht. Man bekommt ein ganz neues Gefühl für Entfernungen, wenn man in den USA unterwegs ist. Dabei sind wir bei dieser Rechnung keine Wege doppelt gefahren. Es ist, als ob wir von Berlin zum Wörthersee in Österreich gefahren wären und uns auf Höhe Zwickau dazu entschieden hätten, noch einen Abstecher in Fulda einzulegen. In unserem Fall haben wir Kalifornien aber nie verlassen. Der drittgrößte Bundesstaat der Vereinigten Staaten ist einfach mal 1,2 Mal so groß wie Deutschland. So langsam wird uns bewusst, weshalb die jungen Frauen, die wir damals in Washington kennen gelernt haben, noch nie an der Westküste waren – und warum Roadtrips in ausgewählten Teeniekomödien der 2000er Jahre immer wieder ein beliebtes Motiv waren.

Nachdem wir also das Los Angeles County verlassen hatten, war unser nächstes Ziel Pismo Beach – zunächst entlang des Pacific Coast Highways mit Badestopp in Malibu Beach, später durch das Santa Ynez Valley, einem der zahlreichen kalifornischen Weinbaugebiete, mit einem umwerfenden Blick auf den Cachuma Lake. Von der Unterkunft in Pismo Beach selbst waren wir das erste Mal weniger angetan. Zum einen erschien die etwas abgelegene Ferienanlage bereits ein wenig heruntergekommen, gleichzeitig wirkte das gesamte Areal irgendwie zwielichtig auf uns. Dass wir statt des gasbetriebenen Ofens auch noch den Gas-/Rauchmelder aktiviert bekommen hatten, trug auch nicht gerade zum Wohlbefinden bei. Nachdem wir ordentlich durchgelüftet hatten, gab es datschige Mikrowellenpizza zum Abendbrot. „Das ist der Tiefpunkt unserer Reise“, kommentierte der Mann treffend. Glücklicherweise war Pismo Beach ohnehin nur als Übernachtungs-Zwischenstopp eingeplant und so waren wir froh, unsere sieben Sachen gleich am darauffolgenden Morgen zusammenzupacken und das nächste Ziel – ein absolutes Highlight der Reise – anzusteuern.

Auf den Ausläufern des Sierra Nevada – Gebirges gelegen, befindet sich North Fork etwa 800 Meter über dem Meeresspiegel und unweit des Yosemite-Nationalparks. Hier hatten wir uns für eine Nacht im Campingwagen – so ein typisch vollausgestatteter amerikanischer Anhänger – auf dem Grundstück von Donna und Matt einquartiert. Da es an diesem Tag schon spät war, um nach zu Yosemite zu fahren, entschieden wir uns stattdessen, die nähere Umgebung zu erkunden. Am Bass Lake, einem wunderschönen Naherholungsgebiet, gab es zum Abendbrot mal kein Fast Food, sondern Turkey- und Egg-Sandwich, sogar mit ganz passablen Brot – sowie Seeblick inklusive. Um unser Frühstück im Freien für den Folgetag vorzubereiten, fuhren wir anschließend zu „Raley’s“. Richtig heimisch fühlten wir uns, als plötzlich Peter Schillings „Major Tom“ durch die Lautsprecher klang – die Englische Variante, aber offenbar erfolgreich genug, um noch 40 Jahre später im amerikanischen Supermarkt-Radio zu laufen. Das alles war zwar schon ganz schön, aber eigentlich noch nicht das erwähnte Highlight. 😉 Denn das war natürlich die Übernachtung im Campingwagen.

Als wir das Grundstück unserer Gastgeber erneut befuhren – es dämmerte bereits – trafen wir auf ein Reh, das gemächlich unseren Weg kreuzte. Matt hatte uns Holz gebracht, welches wir im Outdoor-Ofen verbrennen konnten. Es wurde ein richtig gemütlicher Abend. Sobald wir uns ein paar Meter vom Wohnwagen entfernten, konnten wir auch die unzähligen Sterne beobachten. Es war stockfinster und in der Ferne konnten wir ab und zu ein paar Tiere hören. Ansonsten war da absolut nichts. Wir bereuten schon bei unserer Ankunft, nicht noch ein paar Tage mehr in diesem kleinen Paradies eingeplant zu haben. Selbstverständlich kam nun endlich meine Sony Cybershot mitsamt Stativ zum Einsatz. Im manuellen Modus wählte ich die Einstellungen, die von Hobby-Fotografen für Nachtaufnahmen empfohlen wurden. 20 Sekunden Belichtungszeit sind notwendig, um die Sterne aufs Zelluloid beziehungsweise auf den Speicherchip zu bekommen. Leider hatte ich ein Verbindungskabel für meinen Auslöser zu Hause vergessen, sodass ich die Aufnahme von Hand starten musste. Scheinbar war ich aber filigran genug bei der Sache, um am Ende ein paar wirklich gute Aufnahmen vom Großen Wagen, der Milchstraße und unserem Wohnwagen im Nachthimmel zu schießen. So konnte ich ein paar tolle Urlaubserinnerungen schaffen und habe gleichzeitig ein vielleicht langwieriges neues Hobby gefunden. 🙂

Natürlich stand noch der Besuch des Yosemite-Nationalparks an. Für 35 Dollar kann man das Areal sieben Tage lang mit dem Auto befahren. Es gibt einige Parknischen, an denen man halten kann, ein paar größere Parkplätze an den Aussichtspunkten und wenige Besucherzentren mit Schlaf- und Einkaufsmöglichkeiten, aber im Großen und Ganzen ist der Park naturbelassen. Ein Tag reicht hier gar nicht aus, um alles zu sehen. Auch hier hatte ich mich wieder vom Reiseblogger meines Vertrauens leiten lassen, der dem Park nur einen halben Nachmittag gewidmet hatte. Gesehen haben wir trotzdem eine ganze Menge. Am Glacier Point erhält man einen beeindruckenden Panoramablick auf den Gipfel des Half Domes sowie mehreren Wasserfällen. Anschließend ging es hinunter zum Yosemite Valley, wo man im glasklaren Fluss baden und die Yosemite Falls aus der Nähe betrachten konnte. Hier und da standen die berühmten Mammutbäume. Leider hatten wir es bei der Einfahrt in den Park versäumt, zum größten von ihnen in der Umgebung – dem um die 2.000 Jahre alten Grizzly Giant – abzubiegen. Da wir Yosemite an einem anderen Ausgang verließen, hätte das einen riesigen Umweg für uns bedeutet – Amerika und seine Entfernungen eben. So ging es wieder einmal nur teilweise verrichteter Dinge, dafür aber mit neuen Reiseplänen für die nächsten Jahre, weiter Richtung San José.

Einen Zwischenstopp legten wir im Städtchen Merced in „Scott’s Diner“ ein – dem vermutlich amerikanischsten Diner auf unserer Reise. Offenbar an Touristen wie uns weniger gewohnt, überwarf man sich hier mit Freundlichkeit, sodass wir uns sehr willkommen fühlten und einander neue Vokabeln austauschten: „straw“ oder in our language: STROHHALM (Tell me you are German without saying you are German 😉 ). Weiter ging es durch die Abenddämmerung über unendlich lange Highways, vorbei an der Zwiebelstadt Gilroy, deren Geruch uns noch meilenweit verfolgte (und uns dazu veranlasste den Besuch unmittelbar aus unseren Reiseplänen zu streichen), bis wir abends unser vorletztes Etappenziel, San José, erreichten. Wir schlafen in einem urigen Gästehaus, dass mich auf den Bildern an das Forrest-Gump-Haus erinnert. Von innen entspricht es vollends meinen Erwartungen. Von außen habe ich es tagsüber noch nicht gesehen, da wir uns nach unserem Roadtrip der vergangenen Tage noch etwas erholen und den Tag heute ganz entspannt einläuten. Aber vielleicht geht es heute ja auch nochmal raus. 😉