20.08.2024 – 22:27 Uhr: Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu, und obwohl der Berufsalltag längst wieder begonnen hat, können Junior und ich morgens immer noch etwas länger schlafen. Der Mann hingegen startet früh in den Tag, um im Rahmen seines Vollzeitjobs den sonnigen Nachmittag optimal zu nutzen. Da wichtige Kollegen in meinem Unternehmen aber gerade durch andere Zeitzonen tingeln, habe ich meinen Tagesrhythmus dementsprechend angepasst – und Junior lässt sich ohnehin sorglos in den Tag treiben. Ab und zu genießt er eine Verwöhnpause bei seiner Oma väterlicherseits.
Am vergangenen Samstag besuchten wir zu viert die „Love Parade“ – genauer gesagt die von Dr. Motte 2019 initiierte Nachfolgeveranstaltung im Berliner Tiergarten. Junior ließen wir die Wahl: Entweder ein Benefizspiel der Traditionsmannschaft des 1. FC Union Berlin gegen den heimischen Fußballclub oder die „Tanzparty“, wie Oma und mein Mann es ihm schmackhaft machten. Er entschied sich schließlich für letzteres, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich widerwillig der fröhlichen Neu-Raver-Truppe anzuschließen – schließlich wollte ich sicherstellen, dass Junior nicht in einem Wirbel aus Beats und Glitzer verloren geht, während der Rest der Truppe völlig in den Rave-Flow abtaucht.
Ich habe nichts gegen die Veranstaltung und mag Techno im Allgemeinen – vorausgesetzt, die Musik hat Melodie und ist tanzbar. Doch wenn der Sound nur aus viel zu schnellem Gehämmere besteht, fällt es mir schwer, die Ästhetik dahinter zu erkennen. Im Tiergarten angekommen, hörten wir die Bässe schon von weitem – und es war auch einiges los. 30 Wägen zogen zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor ihre Bahnen. Oma und der Mann versuchten Junior mit überdrehten Moves zum Tanzen zu animieren, und tatsächlich ließ er sich mitreißen. Ich hingegen trottete genervt hinterher, mit dem festen Entschluss, dem Chaos irgendwie zu entkommen. Junior bekam Gehörschutz auf die Ohren, während ich versuchte, der Menschenmenge zu folgen, ohne den Verstand zu verlieren. Unterdessen hob Oma stolz eine Pfandflasche auf. „Fünfundzwanzig Cent!“, verkündete sie triumphierend, als hätte sie einen Schatz gefunden, und steckte sie stolz in ihren Rucksack. Zum Glück verzichtete sie auf weitere Fundstücke, sonst hätten wir den ohnehin umherwuselnden Pfandjägern noch den Rang abgelaufen. Nach etwa einer Stunde wurde es Junior dann doch zu bunt, und wir machten uns relativ schnell wieder auf den Heimweg – bevor unser aller Synapsen endgültig den Dienst quittierten.
In anderthalb Wochen beginnt dann auch schon das neue Schuljahr – und danach dauert es auch nicht mehr lange, bis ich Mitte 30 werde. Aber das stört mich wenig, denn der weitestgehende Verzicht auf Alkohol und Zigaretten lässt meinen Teint immerhin noch halbwegs frisch erstrahlen. Letztes Jahr habe ich ob der familiären Umstände nicht gefeiert – naja, zumindest fast nicht. Denn mein Bruder hatte genau einen Tag nach mir einen runden Geburtstag, und so wurde mein Ehrentag doch irgendwie Teil der Show. Oma war darüber allerdings nicht sonderlich erfreut, weil sie nicht eingeladen war, was wieder mal zu einem kleineren Shitstorm in meine Richtung führte. Dieses Jahr möchte ich eigentlich auch nicht feiern, weil ich Familienfeste dieser Art schon immer eher als lästige Pflicht empfand. Herumsitzen, mir die neuesten Familienzwistigkeiten anhören und beobachten, wie jeder in seiner eigenen Welt versinkt – das reizt mich wirklich nicht. Vielleicht werde ich stattdessen einfach mal etwas mit meinen Freunden unternehmen, schließlich sehe ich die viel zu selten.