Luft und Liebe

12.04.2025 – 15:01 Uhr: Ich gebe zu, meine Aktivität hat in letzter Zeit stark nachgelassen. Das liegt allerdings nicht daran, dass es nichts mehr zu erzählen gäbe – ganz im Gegenteil! Ich war tatsächlich ziemlich „busy“, wie man so schön sagt. Schließlich muss das Chaos im Kopf ja auch irgendwie sortiert werden. 😉 Mitte März hat mich allerdings ein ziemlich hartnäckiger Infekt erwischt, der mich für ein paar Tage auf Sparflamme laufen ließ. Seitdem begleitet mich ein chronischer Husten – nicht zum ersten Mal übrigens. Nach grippalen Infekten bleibt er mir seit einigen Jahren hartnäckig erhalten. Ende letzten Jahres ließ ich deshalb sogar meine Lunge röntgen. Ergebnis: tipptopp! Und das will ich als Nichtraucherin und ehemalige Fast-Leistungsschwimmerin auch hoffen – zumal ich schon eine ganze Weile nicht mehr im versmogten Berlin wohne.

Trotzdem huste ich, als hätte ich mein halbes Leben in einer Raucherkneipe verbracht. Also bin ich mal wieder bei meiner Hausärztin gelandet. Ihre aktuelle Vermutung: Asthma. Möglicher Trigger: Hausstaub. Zugegeben – nicht völlig abwegig, wenn ich an die eine oder andere Ecke zu Hause denke … Jetzt heißt es morgens und abends Cortison inhalieren, in der Hoffnung, den Husten endlich einzudämmen – und wieder lautstark meine Lieblingshits in Bad und Auto schmettern zu können, ohne gleich in einen Anfall zu geraten. Immerhin: Es wirkt ein bisschen. Trotzdem steht im Mai noch ein Lungentest an – es fühlt sich langsam an, als hätte ich mit meinem 35. Geburtstag ein Hausarzt-Abonnement abgeschlossen. Aber was tut man nicht alles für die Gesundheit!

Meine neue Südkorea-Leidenschaft besteht übrigens weiterhin – und nein, nicht nur wegen dieses einen K-Drama-Stars, mit dem mich meine Jungs zu Hause regelmäßig aufziehen. 😉 Übrigens: Meine Fanpost hat vor ein paar Tagen das Management erreicht – übergeben vom pflichtbewussten Paketboten Herrn Kim, dem ich seither jeden Abend Glück und Erfolg für den nächsten Tag wünsche. Ein guter Mann! 감사합니다! Jetzt heißt es abwarten, ob jemals eine Reaktion kommt. Die asiatische Fankultur wirkt – abgesehen von wenigen offiziellen Events – eher zurückhaltend, was direkte Interaktion betrifft. Ich mache mir also keine großen Hoffnungen, aber falls nichts zurückkommt, hätte ich bitte gern meine 2.730 Won für den Rückumschlag wieder! Andererseits: Diese Summe verteilt sich auf exakt 15 Briefmarken … auf einem A5-Umschlag. Ich musste beim Bekleben unweigerlich an Arthur Weasley denken, der – als er das erste Mal einen „Muggelbrief“ frankieren wollte – einfach den gesamten Umschlag damit beklebt hat.

Ähnlich holprig bewege ich mich also aus 8.000 km Entfernung durch die südkoreanische Kultur: Ich verfolge die Waldbrände mit Sorge, beobachte die politische Lage rund um den abgesetzten Präsidenten Yoon – und verliere mich zwischendurch immer wieder in der K-Drama-Welt. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte ich zu Jahresbeginn eine Tür geöffnet – hinein in eine völlig neue Welt. (Ups – 도깨비-Vibes!) Und ja, diese Welt fasziniert mich nicht nur, weil Gong Yoo dort lebt (auch wenn ich es schlicht „Wow!“ finde, wenn er vor Jeju einfach mal einen Oktopus aus dem Meer fischt), sondern auch, weil Südkorea im westlichen Blick auf die Welt oft kaum vorkommt – weder in Bildung noch in Politik oder Medien. Ein weiterer Grund für mein Interesse liegt vielleicht auch in der Parallele, die Deutschland und die koreanische Halbinsel verbindet: die Teilung zweier einst verbundener Länder – und die bis heute spürbaren Unterschiede in Ideologie, Geschichte und Identität.

Jedenfalls habe ich inzwischen meine „Geschäftsidee“ umgesetzt: go-gada.com. Der Name setzt sich aus dem koreanischen Wort „가다“ (gada) – also „gehen“ – und dem englischen „go“ zusammen. Der Name steht für Bewegung zwischen Kulturen, konkret zwischen Südkorea und Deutschland. Unter diesem Dach laufen aktuell zwei kleine Projekte:

  • Go-Gada Insights ist ein Blog für südkoreanische (und internationale) Startups, die in Deutschland Fuß fassen wollen. Es geht um Gründung, Fördermittel, Rechtsformen und kulturelle Besonderheiten – verständlich, praxisnah und ohne Fachchinesisch – dafür aber mit koreanischer Übersetzung.
  • Go-Gada Media richtet sich an deutsche K-Drama- und K-Movie-Fans. Ich zeige, wo man legal streamen kann, stelle Produktionsfirmen vor und beleuchte die Hintergründe der koreanischen Entertainment-Industrie – kompakt, zugänglich und mit einem Herz für Details.

Irgendwann, wenn der Blog erst einmal richtig läuft, soll er natürlich auch Geld abwerfen. Aber bis dahin braucht es Sichtbarkeit und Reichweite. Deshalb erwähne ich das hier ganz strategisch. 😉 Immerhin bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Idee ziemlich schlau ist. Offenbar sah das auch die Deutsche Außenhandelskammer in Seoul so – denn mein Kommentar, in dem ich meine Idee kurz vorgestellt hatte, wurde im Rahmen eines Giveaway-Events auf Instagram als Gewinnerbeitrag ausgewählt. Als Dankeschön bekam ich nicht nur das hauseigene Magazin, sondern auch einen Edelstahl-Kaffeebecher und eine Box südkoreanischer Hautpflegeprodukte zugeschickt (…was auch immer Bio-Placenta-Cream genau macht…). „Guck mal, Gong Yoo hat mir geantwortet!“, rief ich – das Paket mit den koreanischen Schriftzeichen in der Hand – dem Mann zu, der das tatsächlich für einen Moment glaubte. 😀 Jedenfalls: Mein Projekt ist also mit dem passenden Glow gestartet.

Post aus Südkorea – zwischen Business und Glow

Aber auch der Alltag läuft weiter. Junior wurde soeben mit quietschenden Reifen zur Kindergeburtstagsfeier abgeliefert, während ich parallel versuche, ein paar lose Enden zusammenzuhalten: Der Mittelabruf für die Firma muss durch, und die Übernahme meines bisher geleasten Clios steht auch noch an. Dieses Gefährt – und die eingebaute Musikanlage – sind mir in den letzten Jahren so sehr ans Herz gewachsen, dass ich beschlossen habe: Der bleibt. Ich gebe ihn nicht zurück. Das bedeutet allerdings auch: Den seit über einem Jahr verlorenen Fahrzeugschein neu zu beantragen und den längst abgelaufenen TÜV erneuern. Als ich mich neulich endlich dazu durchgerungen habe, in aller Demut bei der Zulassungsstelle anzurufen, stellte meine innere Telefon-Phobikerin erleichtert fest: Auch das lässt sich erstaunlich unkompliziert lösen. Vielleicht darf ich also schon bald ganz offiziell sagen: Dieser orangefarbene Flitzer gehört jetzt ganz offiziell mir. 🙂

Und das Studium? Das ist angelaufen – also zumindest habe ich Zugang zu Material und Unterlagen, habe die ersten Online-Einführungsveranstaltungen besucht und mich auch schon mit ein paar Kommilitoninnen und Kommilitonen ausgetauscht.
Inhaltlich werde ich mich im Urlaub etwas intensiver damit beschäftigen – zum Einschlafen nochmal schön 90 Minuten Video-Vorlesung, so der Plan. Läuft doch bei mir. 😉

Nukular!

02.03.2025 – 12:13 Uhr: Wir stecken schon wieder mitten im Jahr 2025, und es fühlt sich an, als wären die ersten zwei Monate im Schnelldurchlauf an mir vorbeigezogen. Anfang Februar war unser kleines Startup mal wieder auf Messe, diesmal zur Fruit Logistica, DER Leitmesse des internationalen Fruchthandels – und weil sich das halbe Team in weiser Voraussicht genau in dieser Woche in den Urlaub verabschiedet hat, durfte unter anderem ich uns vor Ort repräsentieren. Nichts leichter als das, oder?! Die Aufmerksamkeit für uns war diesmal überraschend hoch. Ich erklärte unser Produkt gefühlt 50 Mal am Tag, natürlich nicht ohne regelmäßig über das Wort accuracy zu stolpern. Ob bei den sehr wichtigen Menschen des globalen Obst- und Gemüsebusinesses am Ende irgendwas hängen geblieben ist? Ich weiß es nicht. Aber ich habe ohnehin das Gefühl, dass es bei solchen Veranstaltungen weniger um Inhalte als ums Wirken geht. Und als kleine Frau im Pfauenkleid mit nerdiger Pantobrille hatte ich da natürlich direkt gewonnen. 😉 Mein einziger offizieller Auftrag: Den Stand bewachen, während die Kollegen auf Networkingtour gingen. Trotzdem war mein Energielevel nach dieser Woche komplett leer – nicht zuletzt wegen der inneren Achterbahnfahrt, die mein Leben seit Januar mit einer ordentlichen Portion Loopings bereichert hat.

Ein Blick auf meine meistgehörten Songs des Monats erklärt vielleicht auch ein bisschen was. Ganz oben auf der Liste: Pavarottis „La donna è mobile“ aus Verdis Rigoletto, gefolgt von einer Handvoll französischer Chansons und natürlich „L’amour est un oiseau rebelle“ aus Carmen. Dabei fiel mir eine Mitfahrgelegenheit im Jahr 2011 wieder ein: Berlin – Bonn – Berlin, sechs Stunden hin, sechs Stunden zurück, mit einem charmant-schrulligen Herrn Mitte 50 und seinem alten Mercedes Benz. Im Kassettenspieler? Französische Chansons, Dauerschleife, eine Spur zu laut. Niemand im Auto wagte es, dagegen zu protestieren. Damals war ich einfach nur froh, als ich endlich ausstieg. Heute bin ich diejenige, die im Clio die Fenster runterkurbelt und bei Françoise Hardys Comment te dire adieu lauthals mitsingt. Man könnte sagen: Charakterentwicklung. Neulich meinte ich dann auch zum Mann: „Irgendwie hab ich mal wieder Bock auf Oper.“ Und so freuen wir uns jetzt auf Verdis Rigoletto im Juni in der Deutschen Oper Berlin. Nächstes Level der Intellektualität: check.

Neben Chansons und Opernarien gibt’s in meiner Playlist aber auch noch immer jede Menge OSTs aus südkoreanischen Dramen – die Welle ist bei mir definitiv noch nicht vorbei. Mein Interesse an Gong Yoo? Ungebrochen. Leider bleibt es in Deutschland eine echte Challenge, an internationale – und speziell asiatische – Inhalte heranzukommen, die nicht auf den üblichen Plattformen laufen. Ländersperre lässt grüßen. Also streune ich weiter durch die Tiefen von Viki und Kokowa, immer auf der Jagd nach dem nächsten Serienmarathon. Und weil das noch nicht reicht, plane ich tatsächlich, in absoluter Teenie-Manier ein Fanpaket nach Korea zu schicken – inklusive Geschenk für Gong Yoo und natürlich auch für seine beiden Katzen. Kongkong und Mawoo haben mit ihren Gastauftritten in seinen Instagram-Stories ohnehin mehr Aufsehen unter den Fangirls erregt als die aktuelle politische Weltlage. Prioritäten müssen eben gesetzt werden. Meiner Fanpost liegt übrigens ein liebevoll vorbereiteter Rückumschlag mit südkoreanischen Briefmarken bei – erworben bei einem internationalen Briefmarkenhändler, der obendrein auch noch Vorstandsmitglied im deutschen Autogrammjäger-Verein ist – also offenkundig einem der Besten seiner Branche. Schließlich will ich nicht nur Gong Yoo um ein Autogramm bitten – am liebsten gleich das komplette Lineup von Management Soop. Denn irgendwie gehört ihnen allen inzwischen ein Stück meines Herzens. Ob das klappt? Wer weiß. Ob das Paket jemals ankommt oder vom koreanischen Zoll direkt rausgeholt wird? Wir werden sehen. Fortsetzung folgt. 😉 Dieses ganze Korea-Thema hat mir übrigens auch direkt ein paar Geschäftsideen eingebrockt, die ich in den nächsten Wochen mal testweise in die Welt entlasse – so der Zeitplan es zulässt. Ab April bin ich ja schließlich auch offiziell wieder Teilzeit-Fernstudentin, und auch wenn ich mir diesmal weniger Druck machen will, soll das Ganze doch wenigstens ein bisschen gut werden.

Ach ja – last but not least: Ich habe mir einen Ukulele-Online-Kurs für einen Euro gegönnt (ein echter Schnapper), allerdings weder eine Ukulele noch einen Plan, wie ich das Instrument unbemerkt am Mann vorbei ins Haus bekomme. Ich glaube, meine aktuelle kreative Selbstfindungsphase irritiert ihn ein bisschen. Jedenfalls ist er gerade verdächtig nett zu mir. 😄

안녕하세요!

23.01.2025 – 17:34 Uhr: Auch wenn es so aussieht, mein Logbuch sei von Hackern in Beschlag genommen, so kann ich den geneigten Leser beruhigen. Alles bestens! Inzwischen haben wir jedoch 2025, lang ist’s her! Wo fange ich nun also an? Vielleicht mit dem Offensichtlichen. Ich habe begonnen, Koreanisch zu lernen (oben steht übrigens „Guten Tag“). Wie das? Nun, über Weihnachten kam die zweite Staffel von „Squid Game“ raus – nicht dass ich die blutigen Szenen darin so feiere, viel eher geht es mir um die zwischenmenschlichen Dynamiken, die ich so spannend finde. Besonders heraus stach für mich jedoch eine Nebenrolle, nämlich die des immer lächelnden Recruiters, dessen sadistisches Verhalten in den neuen Folgen noch etwas mehr in den Fokus gerät. „Wer ist dieser verrückte Psycho?“, fragte ich mich begeistert (offenbar habe ich wohl doch einen leichten Hang zum Masochismus) und stieß auf den koreanischen Schauspieler Gong Yoo, der mich seither in den Bann gezogen hat. Ich beschäftige mich also derzeit ernsthaft und intensiv mit der schrullig-skurrilen Welt der koreanischen Popkultur, die mich nicht nur wegen des koreanischen Superstars nicht mehr loslässt, sondern auch aktuell so sehr begeistert, dass ich inzwischen ganze Marathons koreanischer Produktionen hinter mich gebracht habe. Viele Serien und Filme wurden aber gar nicht synchronisiert – und so bin ich dann irgendwie auch in die koreanische Sprache eingetaucht, angefangen mit dem Alphabet (Hangeul), dass überraschend logisch aufgebaut ist, sodass ich das System binnen eines Tages drauf hatte. Nachdem ich dann die Namen sämtlicher Familienmitglieder einmal durchtransliteriert hatte, habe ich inzwischen auch die ersten Vokabeln verinnerlicht – und da ich schon länger eine neue Sprache lernen wollte, bleibe ich wohl erstmal dran, und sei es aus Spaß an der Freude.

Überhaupt durchlebe ich gerade eine Art Aufbruchstimmung, denn ich habe mich auch noch bei der FernUniversität Hagen für den neuen Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie eingeschrieben. Ich hatte das Gefühl, dass ich es nochmal versuchen sollte, nachdem ich meinen letzten Masterstudiengang vor einigen Jahren abgebrochen hatte. Vielleicht wird es ja diesmal was, vielleicht auch nicht – „doch es deshalb zu lassen wäre so viel schlimmer“, um es mal mit den Worten der A-cappella-Band „medlz“ auszudrücken. Ich mache mir also keinen Druck. Wie nennt man meine aktuelle Phase? Midlife-Crisis? Nun, als „Krise“ würde ich meinen Zustand wahrhaftig nicht bezeichnen – viel eher habe ich das Gefühl, dass ich mit einem neuen Selbstbewusstsein in das neue Jahr gestartet bin – auch wenn meine neue Leidenschaft für koreanische Dramen dabei eine zugegebenermaßen etwas merkwürdig anmutende Komponente des Ganzen ist. 😉

Ansonsten ist das vergangene Jahr noch durchaus ereignisreich zu Ende gegangen. Nach unserem Kurzurlaub am Timmendorfer Strand gab es in meiner Rolle als Elternsprecherin in Juniors Klasse einiges zu klären, nachdem ein überambitionierter Anwalts-Papa für einige Unruhe gesorgt hat. Ich werde nicht mehr weiter ins Detail gehen, weil das Kapitel für mich inzwischen abgeschlossen ist, nur so viel: es ist doch sehr überraschend, mit welche Art von Menschen man so konfrontiert wird, wenn man sich in die Rolle der Elternsprecherin begibt. Darüber hinaus hatte ich noch einen weiteren Gesundheitscheck, der veranlasst wurde, nachdem ich mich bei meiner Hausärztin noch über ein paar weitere körperliche Wehwehchen beklagt hatte. Dies führte zu einer Röntgenaufnahme meines Lungenmagenbereichs, sodass ich mich zwischenzeitlich noch etwas mehr mit der menschlichen Anatomie beschäftigt hatte. Als selbsternannte Radiologin stellte ich schließlich einen Zwerchfellbruch fest, der meine Symptome durchaus erklärt hätte. „Alles bestens“ – hieß es dann aber wenig später im Arztbericht, na dann. 😉 Weihnachten und Silvester verliefen dann schließlich recht ruhig – ohne großes Tamtam, das erste Mal waren wir zum Jahreswechsel sogar nur zu dritt, was ich sehr angenehm fand. Es scheint, als hätte 도깨비 („Kobold“ aber eher als göttliches Wesen verstanden – möglicherweise in den nächsten Postings noch mehr K-Pop-Fangirl-Verweise – sorry, not sorry! 😉 ) meinen Wunsch nach Ruhe diesmal erhört.

Stuhl frei!

25.10.2024 – 20:06 Uhr: Vor kurzem war der erste Todestag meines Vaters. Erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Zu diesem Anlass war ich mit meiner Mutter an seinem Grab, um in stillem Gedenken eine Kerze anzuzünden. Anschließend machten wir noch einen Abstecher zum „Fischfritzen“, einem Fischbrötchenstand bei den Köllnitzer Fischerstuben am Groß Schauener See, den wir schon seit meiner Kindheit regelmäßig besuchen. Es war eine herrliche und milde Herbstwoche, die für mich zudem im Zeichen der Gesundheit stand.

Nach fünf Jahren bin ich wieder einmal bei meinem Gynäkologen aufgeschlagen. So genau weiß ich gar nicht mehr, warum ich das so lang vor mir hergeschoben habe. Doch die Untersuchung verlief rasch und freundlich, sodass ich die jährliche Vorsorgeuntersuchung ab sofort wieder regelmäßig in Angriff nehmen werde. Auch einen Termin beim Gastroenterologen hatte ich schnell bekommen, sodass ich meine erste Darmspiegelung nun schon hinter mir habe – ein besonderes Erlebnis, allerdings weniger wegen der eigentlichen Untersuchung, sondern der Vorbereitung. Diese bestand zunächst aus einer ballaststoffarmen Diät und später ausschließlich aus der Aufnahme klarer Flüssigkeiten sowie der Einnahme des Abführmittels „Picoprep“. Die erste Dosis wirkte allerdings quasi auf der falschen Seite, denn ich spie sie nach kurzer Zeit wieder aus. Doch irgendwann kam die Darmreinigung dann doch in die Gänge.

Dann war es auch schon Zeit für den eigentlichen Termin. Meine Ärztin empfahl mir, die Untersuchung durchzuschlafen, also erhielt ich Propofol – das Narkosemittel, dass mir seit dem Tod von Michael Jackson ein Begriff war. Davor hatte ich durchaus Respekt, da ich noch nie zuvor eine Sedierung erhalten hatte – vielleicht einmal mit drei Jahren, als ich wegen einer größeren Platzwunde am Kopf genäht werden musste (Zitat Mann: „Ach jetzt weiß ich, woher das bei dir kommt!“), denn an die Behandlung selbst kann ich mich nicht mehr erinnern. Doch sowohl die Ärztin während unseres Vorgesprächs als auch die Schwestern am Tag der Darmspiegelung beruhigten mich. Und noch während ich darüber nachdachte, wann die Wirkung wohl einsetzen würde, war ich schon eingenickt.

Als die Wirkung nachließ, träumte ich von der Arbeit – wovon auch sonst – während ich weit entfernt die Stimmen der Schwestern vernahm. An die Frage, die sie mir stellten und ich bejahte, erinnere ich mich nicht mehr – und dann wurde ich schon wieder im Rollstuhl aus dem Untersuchungszimmer geschoben. Nach einem besonders leckeren Cappuccino war mein Kreislauf aber schnell wieder stabil. Von der Darmspiegelung selbst spüre ich – auch im Nachhinein – überhaupt nichts. Aber das Allerwichtigste: keine Auffälligkeiten, kein Befund! Meine kurzfristig geschmiedeten Beerdigungspläne, die ich dem Mann in einem leichten Anflug von Hypochondrie zuvor geschickt hatte, sind damit also bis auf Weiteres verschoben. („Du bist wirklich die einzige 35-Jährige, die ich kenne, die ihre Beerdigungsplaylist fertig hat. Das ist schon echt skurril.“) Alle fünf Jahre werde ich mich dieser Prozedur aufgrund der familiären Vorbelastung wohl unterziehen müssen. Aber ich kann jedem raten, das Thema Krebs- und Gesundheitsvorsorge im Allgemeinen wirklich ernst zu nehmen. Mit diesem Appell endet meine „Aktionswoche gegen Krebs“. Jetzt starte ich in meinen Urlaub – ich glaube, den habe ich nötig. 😉

Neue Winde

13.10.2024 – 17:34 Uhr: Mit viel Getöse begann der heutige Tag, als Tief Helma über unsere Dächer fegte. Als der Sturm vorüber war, kam dann irgendwann nachträglich auch die Wetterwarnung per App. Viel zu spät erfolgte auch die Erinnerung an die Polarlichter, die vor wenigen Tagen über unserer Region zu sehen waren. Die Facebook-Gruppe unserer Gemeinde war voll von beeindruckenden Aufnahmen der roten und grünen Schleier am Himmel. Ich entschied mich also, mich einen Tag später, am Freitagabend, mit meiner Sony DSC-RX100-Kompaktkamera selbst auch auf die Lauer zu legen. Doch außer den lichtverschmutzten Nachthimmel gab es nicht viel zu sehen – wieder eine verpasste Chance mehr. 🙂

Aus meinem Tief der vergangenen Wochen bin ich aber inzwischen wieder raus. Für meinen Vater hatte ich einen Gedenkstein bemalt und an der Stele des Sammelgrabs abgelegt – dieser Akt war gewissermaßen heilsam für mich. In Anlehnung an Michael Endes „Momo“ bestand mein Werk aus einer Rose auf Sternengrund und von einer silberfarbenen Spirale umgeben mit der Beschriftung „In jedem Augenblick blüht die Ewigkeit“. Wie eine Spirale hatte mein Vater sich die Zeit vorgestellt – und die Erzählungen Michael Endes, als Momo von Meister Hora zu ihrer eigenen Zeit geführt wird, berühren mich bis heute. Das Buch verbinde ich sehr mit meinem Vater. Ich erinnere mich noch, als er mir das Hörspiel zum ersten Mal zeigte, welches er für uns Kinder irgendwann mal von Schallplatte aus dem Westen auf Kassette überspielt hatte. Die Version von 1975 finde ich bis heute am besten – und ich bin sehr froh darüber, dass genau diese Aufnahme noch immer auf Spotify zu finden ist, wenngleich auch ohne das Geleiere der überspielten Hörspielkassette – hach Kindheit! 🙂 Jedenfalls haben mein Vater und ich uns ab und an über solche philosophischen Themen unterhalten, selbst als sein Umzug ins Hospiz kurz bevorstand. Natürlich kommen die Erinnerungen seiner letzten Tage auf Erden, so kurz vor seinem ersten Todestag, besonders häufig zurück. Aber wie man so schön sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Und auch wenn ein Fünkchen Wahrheit darin steckt, bleiben die Narben doch für immer.

Gedenkstein an Papas Grab.

Eigentlich mag ich mein Alter. Ich fühle mich unabhängig und reifer – naja, zumindest ein bisschen. 😉 Aber es ist auch die Zeit, in der das Thema Gesundheit immer präsenter wird. Auch die Chorprobe, auf die ich mich so gefreut hatte, war nicht davor gefeit, denn einer der beiden Chorleiter eröffnete uns, dass er schwer erkrankt sei und seine Gesundheit ihn zunehmend einschränke – und auch wenn die weitere Probe normal weiter lief, hatte sie dadurch einen traurigen Beigeschmack bekommen. Am gleichen Tag holte mich eine Migräne ein, die mich noch tagelang beschäftigte, so sehr, dass ich nicht einmal in der Lage war, der Beerdigung meiner Tante beizuwohnen. Meine Ärztin, mit der ich zufällig einen Termin vereinbart hatte – eigentlich um die Vorsorgemöglichkeiten ab 35 Jahren durchzugehen – diagnostizierte schließlich einen Magen-Darm-Infekt. Aufgrund der familiären Krankheitsgeschichte überwies sie mich auch noch an einen Gastroenterologen – ja, ich kann mir definitiv bessere Freizeitaktivitäten vorstellen, als eine Darmspiegelung. Aber gleichzeitig möchte ich die vielen schönen Überraschungen, die das Leben hoffentlich noch für mich bereithält, gesund miterleben. Also „Arsch zusammengekniffen“ – oder eben auch nicht – und ab zur Vorsorge!

Ansonsten bin ich noch immer Elternsprecherin von Juniors Klasse, nicht etwa weil ich erneut gewählt wurde, sondern weil ich mich damals offenbar für zwei Jahre für dieses Amt verpflichtet hatte. 😉 Und auch die Wahl in den Kita-Ausschuss läuft aktuell ziemlich gut, denn offenbar bin ich auch hierfür die einzige Bewerberin. So schnell kommt man zu einem Amt! Sind nicht kürzlich ein paar Posten im politischen Geschehen freigeworden? Just asking. 😉

Qual und Wahl

25.09.2024 – 17:41 Uhr: Der Herbst ist in vollem Gange, und still und heimlich bin ich ein Jahr älter geworden. Die große Party blieb allerdings aus – eher stimmungsbedingt. In letzter Zeit musste ich oft an meinen Vater denken. Vor einem Jahr teilte er uns seine Entscheidung mit, ins Hospiz zu gehen. Diese Erinnerung, zusammen mit dem trüben Herbstwetter, hat mich tagelang in ein Tief gezogen, aus dem ich mich nun langsam wieder herausarbeite. Zudem ist meine Tante, die Schwester meiner Mutter, gestorben. Ich habe sie jahrelang nicht mehr gesehen, aber ihr Tod beschäftigt mich dennoch. Immerhin habe ich seitdem mehr Kontakt zu einem ihrer Kinder. So wird die Beerdigung meiner Tante eine Art kleiner Wiedersehenstreff – allerdings mit bitterem Beigeschmack.

Junior war derweil wieder auf eine Geburtstagsfeier eingeladen. Anstelle der großen Kindertagsparty der Gemeinde bei strahlendem Sonnenschein ging es für die Kinder ins Kino, zu McDonald’s und anschließend zum Videospielen ins Kinderzimmer. Nun ja – die Kinder hatten jedenfalls ihren Spaß, und das ist ja am Ende des Tages das Wichtigste.

Am Sonntag bin ich dann zum ersten Mal mein Amt als Wahlhelferin für die Landtagswahlen in Brandenburg angetreten. Die erste Schicht teilte ich mit Juniors ehemaliger Kita-Leiterin, die mir einiges über unseren Ortsteil seit ihrem Zuzug 1987 zu erzählen hatte. Der Vormittag verlief ansonsten recht entspannt, die Wählerinnen und Wähler kamen in regelmäßigen Abständen von 20 bis 30 Minuten. Ein Wähler hinterfragte unser Ehrenamt sehr kritisch und wollte sicherstellen, dass die Auszählung korrekt abläuft. Er versprach, um 18 Uhr noch einmal vorbeizukommen, was er auch tat. Scheinbar reichte ihm aber schon der erste Eindruck, denn er verabschiedete sich während der Auszählung deutlich entspannter. Mir hat die Arbeit als Wahlhelferin jedenfalls wirklich Spaß gemacht, und ich freue mich schon darauf, bei der Bundestagswahl wieder mitzumachen. Auch das Amt der Elternsprecherin von Juniors Klasse werde ich wohl erneut übernehmen – vorausgesetzt, die Elternschaft ist nach dem Ausschluss eines Vaters aus der WhatsApp-Gruppe noch mit mir einverstanden. 😉 Für den Kita- und Hort-Ausschuss kandidiere ich auch, allerdings ganz entspannt und ohne großen Druck.

Nächste Woche trifft sich dann mein alter Schulchor wieder zum Singen. Wir planen sogar ein kleines Konzert im nächsten Jahr, worauf ich mich jetzt schon wahnsinnig freue. Musik ist und bleibt meine Medizin!

Stilbruch

14.09.2024 – 11:43 Uhr: Mit dem Ferienende hat sich auch der Sommer verabschiedet. Von jetzt auf gleich erfolgte ein Temperaturabsturz von 30 Grad auf durchschnittlich 15 Grad und ich stellte erschrocken fest, dass Junior inzwischen aus einem Teil seiner langen Kleidung herausgewachsen war und daher seit ein paar Tagen in „Hochwasserhosen“ unterwegs ist. Doch der restliche Schulstart lief weitgehend flüssig, sodass wir wieder relativ gut in den Schulalltag zurückgefunden haben, auch wenn dies bedeutet, mindestens eine Stunde vorher auf der Matte stehen zu müssen. Auch unser Schulbus hat es selbstverständlich schon geschafft, seinen morgendlichen Schlenker durch unseren Ortsteil zu „verplanen“ – geordnetes Chaos eben!

Auch die Förderbank ist aus dem Urlaub zurück und meldete sich mit einem Schwung Nachforderungen und Nachforderungen-Nachforderungen auf unsere Mittelabrufe zurück, deren Anträge unsere Firma bereits vor drei Monaten gestellt hatte – auch hier hat also der alltägliche Wahnsinn wieder begonnen, und ich arbeite quasi im Akkord Aufgabe für Aufgabe ab, die seither so auf meinem Schreibtisch landen. Als willkommene Abwechslung stellte sich daher unsere Teilnahme an einem erneuten Pitch-Event dar, aus organisatorischen Gründen wurde ich gefragt, ob ich als Backup dabei sein könnte – und so startete unsere „Reisegruppe Sonnenschein“ am vergangenen Donnerstag gen Hamburg.

Ich bestand auf die Anreise mit dem Auto, was sich im Nachgang als kluge Entscheidung herausstellte, da diverse Bahn-Ausfälle weitere Teilnehmer vor Schwierigkeiten stellten. Unser Team fand sich jedoch pünktlich vor Ort ein und im Grunde lief auch alles glatt für uns. Ich blieb Backup und konnte daher die Räumlichkeiten des exklusiven Hamburger Clubhauses genießen, in welchem sich sonst nur die reichsten und einflussreichsten Vertreter unseres Landes treffen – doch auch natürlich nicht ganz ohne negativ aufzufallen. Als die Moderatorin einen weiteren Pitchenden vorstellte, der uns gleich etwas über „die Physiotherapie in der Hosentasche“ erzählen wolle, prustete ich hörbar los. Klasse, Doreen, jetzt hast du direkt gezeigt, dass du auch seriös kannst … nicht! Aber immerhin war ich nicht die einzige, die noch nicht ganz bei der Sache war, und so hatte ich ein paar Lacher auf meiner Seite.

Auch war ich nicht die Einzige, die gerne mal mit Anlauf ins Fettnäpfchen springt. Als ein Unternehmer dem weitgehend männlichen Publikum – das Oberthema war übrigens „Impact-Startups“, also Startups, die mit ihrer Geschäftsidee soziale und ökologische Probleme lösen möchten – stolz verkündete, dass sein Team zu 50/50 aus weiblichen und männlichen Mitarbeitenden besteht, ließ er sich nicht nehmen, noch folgenden Nachsatz sinngemäß hinterherzuschießen: „Naja, die Zahl variiert natürlich ab und zu … denn die Frauen können ja schwanger werden … und dann fehlen sie wieder eine Weile.“ Die Dame neben mir und ich ließen ein leises Raunen von uns los. Auch später wurde es unterhaltsam, als ein Startup aus Berlin, welches ich bereits von einem früheren Pitch-Event kannte, ihr Produkt, einen Beckenbodentrainer für Frauen, vorstellte – ein Produkt, das ich nach meiner Schwangerschaft im Übrigen sehr geschätzt hätte – und den Drogeriemarkt „DM“ als potenziellen Vertriebskanal in Erwägung zog. Ein Herr, dessen mittleres Alter sich dem Ende neigte, ließ es sich nicht nehmen, dies infrage zu stellen. Er könne sich nicht vorstellen, dass dies eine gute Idee sei, da es doch ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt sei. Auch hier atmeten die Frauen im Saal hörbar auf. „Ich denke“, ließ die Moderatorin verlautbaren, „dass dieses Produkt wohl eher für die männlichen Teilnehmer erklärungsbedürftig ist, nicht für die Frauen, für die dieses Produkt ja gedacht ist.“ Für mich bereitete jede dieser Situationen eine gewisse Freude, da sie eben gewisse Absurditäten einfach verdeutlichten.

Zum Barbecue in einem nicht weniger altehrwürdigen alten Bankgebäude gingen wir jedoch nicht mehr – es war bereits 19 Uhr, und ich merkte, dass wir fahren sollten, bevor meine Müdigkeit Oberhand gewinnt – schließlich hatten wir noch über drei Stunden Fahrzeit vor uns, die zum Glück verflogen. Einzig ein geplatzter Reifen eines Lkws unmittelbar vor uns sorgte für einen Schreckmoment. Dieser ging mit einem lauten Knall, gefolgt von mehreren kleineren Knallen, einher. Für einen kurzen Moment dachte ich, dass der Wagen wohl Feuerwerkskörper geladen hatte. Zum Glück reagierten alle Beteiligten besonnen: Der Lkw-Fahrer schaltete die Warnblinkanlage ein und fuhr vorsichtig auf den Standstreifen, während ich nur etwas abbremsen musste. Für Herzklopfen sorgte die Situation natürlich dennoch, und auch wenn ich den Moment nicht als „Near-Death“-Erlebnis empfand, wie es der Kollege später vor dem Team erzählte, konnte ich nicht umhin, darüber nachzudenken, wie ich wohl reagiert hätte, wenn das Geknalle genau neben mir losgegangen wäre. „Ja“, sagte ich dem Kollegen kurz nach dem Ereignis, „ich kann nicht ausschließen, dass ich vor Schreck in die Leitplanke gerauscht wäre.“ Und so wurde es doch noch ein bisschen denkwürdig an diesem Abend.

Und sonst so? Spontan habe ich mich als Wahlhelferin für die kommenden Landtagswahlen in Brandenburg gemeldet, nachdem der Wahlleiter unserer Gemeinde einen fast schon verzweifelten Aufruf auf Facebook gestartet hatte – speziell für unseren Ortsteil. Da ich ohnehin neugierig bin, wie es hinter den Kulissen einer Wahl zugeht, dachte ich mir: Warum nicht? Gestern besuchte ich dann die Schulung für Wahlhelfer – und stellte fest, dass ich mit Abstand die jüngste Teilnehmerin war. Die Runde wirkte aber sehr sympathisch, und offenbar habe ich mir mit meinem Ortsteil ein entspanntes Wahllokal ausgesucht. Besonders nett fand ich, dass der Wahlleiter bei unserem ersten Telefonat auch Kuchen erwähnte – wenn das mal kein Anreiz ist! Die Schulung selbst war recht umfangreich und theoretisch, also hoffe ich jetzt einfach, dass am Wahltag alles reibungslos läuft.

Ein Blick auf die Ergebnisse der letzten Europa- und Kommunalwahlen lässt jedoch vermuten, dass viele meiner Nachbarn eher dazu neigen, die rechten Tendenzen, die dem Osten nachgesagt werden, zu bestätigen, statt sie zu entkräften. Es ist ernüchternd, aber es zeigt auch, dass die Gesellschaft weiterhin die Unzufriedenheit vieler Bürger nicht ernst genug nimmt. Statt die Probleme anzupacken, werden die Schuldzuweisungen fröhlich hin- und hergeschoben, und die Stimmung in der Gesellschaft sinkt weiter ab. Wann fangen wir endlich an, uns wieder mit Respekt zu begegnen?

Zug um Zug

29.08.2024 – 08:31 Uhr: Das neue Schuljahr steht vor der Tür, und entgegen meinen besten Vorsätzen habe ich noch nichts für Juniors Start in die zweite Klasse vorbereitet. Es sieht also ganz danach aus, dass auch dieses Mal alles „auf den letzten Drücker“ passieren wird. Aber bisher bin ich mit dieser Taktik ganz gut gefahren, sei es beim Lernen für Schule und Studium, bei der Bachelorarbeit – sogar im Berufsalltag beim Einreichen von subventionsstarken Fördermittelanträgen: 23:53 Uhr ist für mich noch überpünktlich. Prokrastination in Perfektion, auch wenn ich mich damit keineswegs als Vorbild sehe. Denn die Aufregung, noch rechtzeitig fertig zu werden, ist jedes Mal immens. Immerhin habe ich meiner Rolle als Klassensprecherin gerecht werdend die Eltern daran erinnert, das Mittagessen für ihre Kinder rechtzeitig vorzubestellen, damit sie – anders als letztes Jahr – nicht wieder leer ausgehen. Und: Die nicht aufgegessene Stulle habe ich selbstverständlich schon am ersten Ferientag entsorgt, bevor sie ein Eigenleben entwickelt.

Juniors bester Kumpel war während der Sommerferien nicht im Hort, und so knüpfte er eine neue Freundschaft mit einem angehenden Viertklässler. Zur Abwechslung finde ich das mal ganz angenehm – in diesem Alter scheinen die obszönsten Ausdrücke nichts Neues mehr zu sein, sodass mich Junior nicht mehr jeden Tag aufs Neue mit seiner erweiterten Wortschatz überrascht. Den Vater dieses neuen Kumpels bezeichnete der Mann einmal scherzhaft als „Schönling“ und behauptete, dieser hätte Ähnlichkeit mit Constantin Schreiber, Journalist und Virtuose, den ich, zugegebenermaßen, ein wenig bewundere (um nicht zu sagen: anschmachte 😉 ). Natürlich ist das Unsinn, aber die Bemerkung bleibt trotzdem jedes Mal in meinem Kopf hängen, wenn ich ihn sehe.

Junior begleitete also neulich seinen neuen Kumpel zum Schachverein. Vor dem Eingang verabschiedete sich „Constantin 2“ rasch mit den Worten: „Du kannst ihn doch sicher nachher mitnehmen, oder?“ Bevor ich auch nur „Äh…“ sagen konnte, war er schon wieder verschwunden. Da stand ich nun mit zwei Kindern, die wild kichernd ihre Figuren über das Schachbrett schoben. Während ich noch darüber nachdachte, wie ich die beiden dazu bringen könnte, das Spiel etwas ernster zu nehmen, betrat plötzlich ein Mann den Raum, von dem ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen müssen: mein ehemaliger Ausbilder aus der Elektrotechnik stand da, als wären die letzten 12 Jahre nie gewesen. Der Typ, der mich damals schikanierte, wo er nur konnte, und fest davon überzeugt war, dass Frauen in der Schule grundsätzlich bevorzugt würden – und dass ich mir als Abiturientin mein Wissen während der Ausbildung gefälligst selbst aneignen müsste. Hatte ich in der Berufsschule gute Leistungen erbracht, kommentierte er diese abschätzig als „Frauenbonus“, während alles, was ich im Betrieb leistete, seiner Meinung nach „scheiße“ war. Der Typ, wegen dem ich während meiner Ausbildung viel zu viel Zeit heulend auf dem Klo verbrachte. Und nicht nur mich hatte er im Visier: Meinen Partner, der damals im gleichen Unternehmen arbeitete, verachtete er genauso offen.

In dem Moment, als ich ihn eintreten sah, überkam mich – vielleicht im Anflug von Wahnsinn – der Impuls, ihm ein freundliches „Lange nicht gesehen und doch wiedererkannt!“ zuzurufen. Doch er beachtete mich gar nicht, setzte sich stattdessen an ein Schachbrett und versank in seinem Spiel, als wäre er der unangefochtene König der Schachwelt. Eine Stunde lang blieb er dort, völlig in Gedanken vertieft, als ob die restliche Welt für ihn nicht existierte – außer natürlich, wenn er zwischendurch einen seiner typischen Witze zum Besten gab, über die nur er selbst lachen konnte. Ja, dieser Mann war schon immer sein größter Fan. Nach nur einer Stunde stand er schließlich auf, packte seine Sachen und verließ den Raum, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Es war fast, als hätte er sich nur kurz sehen lassen, um die Geister der Vergangenheit zu wecken. Wie ich ihn Erinnerung habe – immer darauf bedacht, sich selbst als überlegen inszenieren und anderen nicht mal den Hauch von Respekt entgegenzubringen.

Unterdessen war Juniors Schachspiel zu einer einzigen Gackershow verkommen, bis der Schach-Coach schließlich eingriff und ihn unter seine Fittiche nahm, um das Spiel doch noch in geordnete Bahnen zu lenken und ihn ordentlich zu fordern. Mehr als stolz beobachtete ich, wie Junior den Coach mit seinen durchdachten Zügen überraschte. Zum Schachverein werden wir trotz des Schocks wohl wieder gehen. Und wer weiß, sollte Junior jemals gegen meinen Ex-Ausbilder spielen, könnte dieser dann überlegen, ob Junior seine Intelligenz von mir oder dem Mann geerbt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es ihm schwerfällt, das zu verdauen – vielleicht sogar schwerer als einen seiner Witze.

Graue Party-Maus

20.08.2024 – 22:27 Uhr: Die Sommerferien neigen sich dem Ende zu, und obwohl der Berufsalltag längst wieder begonnen hat, können Junior und ich morgens immer noch etwas länger schlafen. Der Mann hingegen startet früh in den Tag, um im Rahmen seines Vollzeitjobs den sonnigen Nachmittag optimal zu nutzen. Da wichtige Kollegen in meinem Unternehmen aber gerade durch andere Zeitzonen tingeln, habe ich meinen Tagesrhythmus dementsprechend angepasst – und Junior lässt sich ohnehin sorglos in den Tag treiben. Ab und zu genießt er eine Verwöhnpause bei seiner Oma väterlicherseits.

Am vergangenen Samstag besuchten wir zu viert die „Love Parade“ – genauer gesagt die von Dr. Motte 2019 initiierte Nachfolgeveranstaltung im Berliner Tiergarten. Junior ließen wir die Wahl: Entweder ein Benefizspiel der Traditionsmannschaft des 1. FC Union Berlin gegen den heimischen Fußballclub oder die „Tanzparty“, wie Oma und mein Mann es ihm schmackhaft machten. Er entschied sich schließlich für letzteres, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich widerwillig der fröhlichen Neu-Raver-Truppe anzuschließen – schließlich wollte ich sicherstellen, dass Junior nicht in einem Wirbel aus Beats und Glitzer verloren geht, während der Rest der Truppe völlig in den Rave-Flow abtaucht.

Ich habe nichts gegen die Veranstaltung und mag Techno im Allgemeinen – vorausgesetzt, die Musik hat Melodie und ist tanzbar. Doch wenn der Sound nur aus viel zu schnellem Gehämmere besteht, fällt es mir schwer, die Ästhetik dahinter zu erkennen. Im Tiergarten angekommen, hörten wir die Bässe schon von weitem – und es war auch einiges los. 30 Wägen zogen zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor ihre Bahnen. Oma und der Mann versuchten Junior mit überdrehten Moves zum Tanzen zu animieren, und tatsächlich ließ er sich mitreißen. Ich hingegen trottete genervt hinterher, mit dem festen Entschluss, dem Chaos irgendwie zu entkommen. Junior bekam Gehörschutz auf die Ohren, während ich versuchte, der Menschenmenge zu folgen, ohne den Verstand zu verlieren. Unterdessen hob Oma stolz eine Pfandflasche auf. „Fünfundzwanzig Cent!“, verkündete sie triumphierend, als hätte sie einen Schatz gefunden, und steckte sie stolz in ihren Rucksack. Zum Glück verzichtete sie auf weitere Fundstücke, sonst hätten wir den ohnehin umherwuselnden Pfandjägern noch den Rang abgelaufen. Nach etwa einer Stunde wurde es Junior dann doch zu bunt, und wir machten uns relativ schnell wieder auf den Heimweg – bevor unser aller Synapsen endgültig den Dienst quittierten.

In anderthalb Wochen beginnt dann auch schon das neue Schuljahr – und danach dauert es auch nicht mehr lange, bis ich Mitte 30 werde. Aber das stört mich wenig, denn der weitestgehende Verzicht auf Alkohol und Zigaretten lässt meinen Teint immerhin noch halbwegs frisch erstrahlen. Letztes Jahr habe ich ob der familiären Umstände nicht gefeiert – naja, zumindest fast nicht. Denn mein Bruder hatte genau einen Tag nach mir einen runden Geburtstag, und so wurde mein Ehrentag doch irgendwie Teil der Show. Oma war darüber allerdings nicht sonderlich erfreut, weil sie nicht eingeladen war, was wieder mal zu einem kleineren Shitstorm in meine Richtung führte. Dieses Jahr möchte ich eigentlich auch nicht feiern, weil ich Familienfeste dieser Art schon immer eher als lästige Pflicht empfand. Herumsitzen, mir die neuesten Familienzwistigkeiten anhören und beobachten, wie jeder in seiner eigenen Welt versinkt – das reizt mich wirklich nicht. Vielleicht werde ich stattdessen einfach mal etwas mit meinen Freunden unternehmen, schließlich sehe ich die viel zu selten.

Schnelldurchlauf

07.08.2024 – 21:19 Uhr: Here we go again – seit vier Tagen sind wir wieder zu Hause. Und während Junior nun das Ferienprogramm im Hort genießt, tue ich es dem Mann gleich und maloche wieder, wie der Berliner so schön sagt. Immerhin haben wir noch unsere Sommerresidenz am Baggersee, die am Wochenende weiterhin zum Verweilen einlädt. Und Paris? Brüssel? Amsterdam? Die Städte haben wir natürlich auch genossen. Hier eine Zusammenfassung:

Wie im letzten Beitrag angekündigt, haben wir in Paris die Kuppel der Sacré-Cœur erklommen – 300 Stufen insgesamt, die alle paar Meter mit süffisanten Hinweisschildern über die verbliebene Anzahl der Stufen begleitet wurden. Am Ende bot sich schließlich doch ein schöner Blick über die französische Hauptstadt – non, je ne regrette rien – trotz Regenwetters. Am nächsten Tag erkundeten wir Paris bei strahlendem Sonnenschein zu Wasser mit dem BatoBus und machten an der Notre Dame Halt, die seit dem verheerenden Brand 2019 umfangreich restauriert wird und deren Wiedereröffnung auf Ende dieses Jahres datiert ist. Nach einem weiteren Zwischenstopp am Arc de Triomphe freuten wir uns schließlich auf unser nächstes Highlight tags darauf: das Beachvolleyballspiel im Rahmen der Olympischen Spiele 2024 am Fuße des Eiffelturms. Da wir für den gleichen Tag unsere Weiterfahrt nach Brüssel geplant hatten, hatte ich extra eine private Gepäckaufbewahrung in der Nähe der Veranstaltung gebucht. Doch wie das Leben so spielt, war der Laden geschlossen und wir mussten uns nach Alternativen umsehen. Schließlich konnten wir bei einer Subway-Filiale unseren Krempel loswerden, sodass wir nach einer Stunde Verspätung doch noch zum Spiel gehen konnten. Angekommen herrschte bereits eine ausgelassene Stimmung. Nach jedem Punkt drehte der DJ auf und animierte das Publikum zu „Ace, Ace!“ oder „Block!“-Rufen. Wir ließen uns von der Party – denn etwas anderes war es im Grunde nicht – hinreißen und verbrachten einen großartigen Vormittag, bevor wir schließlich in unseren Zug nach Brüssel stiegen.

Am Rande Brüssels wurden wir herzlich von Christine empfangen, die uns sehr umsorgte. Ihr Haus befand sich am Brüsseler Stadtrand. Es dauerte beim Ausstieg einen Moment, bis ich begriff, dass ihr Stadtteil „Boitsfort“ und das niederländische Pendant „Boosvorde“ der gleiche Ort sind. Ein weiteres Missverständnis ereignete sich tags darauf, denn an der S-Bahn-Station der Linie 8 fährt auch die Straßenbahn mit der gleichen Nummerierung ab – natürlich farblich aufeinander abgestimmt -, sodass Junior und ich mit der S-Bahn einen unfreiwilligen Abstecher in die Provinz unternahmen, anstatt mit der Tram stadteinwärts zu fahren. Hinzu kam, dass die Motivation unserer kleinen Europa-Expedition langsam schwand und wir uns nur noch mühsam zu unserer gebuchten Stadtführung bewegten, die aber dank Waffel- und Pralinenkomponente dennoch ein voller Erfolg war. Zum Atomium kamen wir allerdings nicht – zu weit weg von uns – und auch in Brüssel herrschte zeitweise starkes Regenwetter. Meinen Bildungsauftrag erfüllte ich dennoch, als ich Junior das Gebäude des Europaparlaments zeigte und wir die dazugehörigen Länder der davor wehenden Flaggen durchgingen. Neben Christines Wohnort gab es außerdem einen herrlichen Wald, der uns vergessen ließ, dass wir eigentlich noch immer in einer Großstadt unterwegs sind.

Unsere letzte Station schließlich war Amsterdam. Einquartiert hatten wir uns in einem wunderschönen B&B in Landsmeer, nördlich von Amsterdam. Für die Stadt blieb uns ein voller Tag, den ich sorgfältig mithilfe von ChatGPT vorbereitete. „Geht ins NEMO-Museum“, empfahl die KI, „für 1,5 bis 2 Stunden, ehe es in den Vondelpark geht und ihr den Tag mit einer beschaulichen Grachtenfahrt ausklingen lasst.“ Nun – am Ende blieben wir 6 Stunden im Museum und ließen die übrigen Tagespunkte ausfallen, was zumindest für das Museum spricht – doch von Amsterdam sahen wir im Grunde nicht viel – Amsterdam, we komen zeker nog eens terug!

Nach über 2.700 Kilometern im Zug, zu Wasser und im Flugzeug endete unsere Reise schließlich – wohlbehalten kamen wir zu Hause an. Zur Feier des Tages bereitete uns der Mann eine Pfanne frischer Pfifferlinge zu, die seine Schwester ihrerseits in Schweden gepflückt hatte. Wir versorgten ihn wiederum mit unseren Eindrücken. Was uns am besten gefallen hat? Nun, ich will mich nicht festlegen, aber unser Aufenthalt in Frankreich hat mich an viele schöne Erinnerungen denken lassen, die ich im Rahmen von Schüleraustausch und Sprachreise ohnehin an dieses tolle Land habe und die ich fast schon vergessen hatte. Aber auch die Niederlande stehen weiterhin hoch im Kurs – und sei es, um noch ein paar Nächte mehr in Floras urigem B&B zu verbringen. 🙂