30.07. um 21:13 Uhr: Was habe ich Washington unterschätzt! Während diese Stadt dem Reiseblogger meines Vertrauens gerade einmal eine Tagestour von New York aus wert war, bereue ich ernsthaft, ihr nicht mehr Zeit widmen zu können. Nach zwei Tagen Aufenthalt, werden wir die Hauptstadt der Vereinigten Staaten morgen schon wieder verlassen. Das Gefühl, so viele Dinge noch nicht gesehen zu haben, bleibt. Wir hatten wenig Zeit, um gerade einmal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Noch hart mit dem Jetlag kämpfend und mehr als 30 Grad im Schatten, war jedoch auch das eine einzige Herausforderung. Unser erstes Ziel war – natürlich – das Weiße Haus. Von dort aus gingen wir zum Washington Monument, welches wir bereits während unserer nächtlichen Anfahrt am Abend zuvor von weitem bewundern konnten und welches durchaus hilfreich bei der Navigation durch die Stadt sein kann. Navigation ist das Stichwort, denn die klappte an unserem ersten Tag nur so halbgut. Auf der Suche nach einer Abkühlung schritt der Mann voran, während Junior und ich einigermaßen quenglig hinterhertrotteten. Mit der „Nationall Mall“ verfügt Washington über eine riesige Parkanlage, die allerdings mit vergleichsweise wenig Bäumen bepflanzt ist. Ein schattiges Plätzchen sucht man hier eher vergebens. Auffällig waren allerdings die vielen bunten Eiswägen, die in einer Reihe entlang der Touristen-Hot-Spots der Stadt aufgestellt waren. Eines davon dudelte pausenlos die Melodie des bekannten amerikanischen Volkssongs „Oh Susanna!“.

Nachdem wir einige Meilen eher ziellos durch die Innenstadt gelaufen waren, stiegen wir schließlich in den nächstbesten Bus – eine gute Wahl, wie sich herausstellte, denn dieser brachte uns zu einer schönen Hafenanlage, die „Wharf“, wo es sich mit frischgemachten Eistee und mit Blick auf die Theodore Roosevelt Island am Potomac River gut aushalten ließ. Der gleiche Bus führte uns schließlich zurück zur Unterkunft, die wir gerade rechtzeitig erreichten, bevor ein heftiges Unwetter über uns hinweg zog. Wir bekamen sogar eine Warnung über Cell Broadcast und erfuhren von zwei reisenden jungen Frauen am Frühstückstisch, dass nur zwei Blocks weiter ein Baum durch den Sturm auf ein Auto gekracht war. Abends verließen wir unser Zimmer nur noch, um eine Take-Away-Pizza zu kaufen. Um 21 Uhr gingen die Lichter aus und ich kam endlich zu meiner Mütze Schlaf.

Tags darauf – nachdem wir unseren Morgen mit dem Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Kolumbien in Rahmen der Frauenweltmeisterschaft eingeläutet hatten (Anstoß um 5:30 Uhr Ortszeit – Jetlag lässt grüßen) – besuchten wir das National Air and Space Museum, welches wie viele anderen Museen rund um die National Mall, keinen Eintritt nimmt. Dieses Haus ist allerdings wohl nur die abgespeckte Variante eines viel größeren Standortes in Virginia. Planetenfan Junior war mit den Darstellungen unseres Sonnensystems im „kleinen“ Haus jedoch bereits mehr als zufrieden. Anschließend ging es wieder zur Wharf, zum Mittagessen im „Lucky Buns“, dem ersten von vermutlich vielen weiteren Diners des Landes, die wir auf unserer Reise noch besuchen werden. Diesmal ereilte mir ein sprachlicher Faux-Pas, als ich um die „Card“ bat, um Junior noch eine Kleinigkeit zum Nachtisch zu bestellen. „The menue, please“, half der Mann aus. Nachdem wir uns spätestens jetzt als Fremde geoutet hatten und wir auf Nachfrage der Kellnerin erklärten, dass wir Deutsche seien, outete sich diese wiederum als Gamerin und erzählte von einem Computerspiel, indem es darum ging, Nazis abzumurksen. „But we are not Nazis“, stellte der Mann sicherheitshalber klar. „I know!“ antwortete diese lachend und brachte Junior das bestellte „Vanilla Gelato“ mit Extra Karamell.

Mich verschlug es anschließend zum Kapitol, während die Jungs weiter zur Unterkunft fuhren. „Das siehst du von hier, das ist vielleicht ein Kilometer“, gab mir der Mann noch mit, als ich aus dem Bus stieg. Mir wurde wiederum klar, wie sehr man sich in Amerika mit Entfernungen verschätzen kann. Am Ende wurden aus dem Kilometer 1,6 Meilen – umgerechnet 2,57 Kilometer, die ich von der Bushaltestelle entlang der National Mall, vorbei an den Museen of American History, der Natural History und der National Gallery of Art zurücklegte. Weitere Gebäude, zu denen ich eigentlich pilgern wollte, verwarf ich erschöpfungsbedingt und machte mich auf dem Rückweg. Natürlich bekam der Mann meinen Anruf über meine Ankunft nicht mit und so stand ich eine geschlagene Viertelstunde vor dem Bed&Breakfast, bis ich mich entschied, Gary anzurufen, der mich schließlich ins Haus ließ. Nach einem kurzen Plausch erzählte er mir, dass ein Teil seines Interieurs von niemand geringerem als Jackie Kennedy persönlich stammte, was mich sehr beeindruckte.
Zusammenfassend ist Washington eine unerwartet aufgeräumte und saubere Stadt – zumindest der Teil, den wir zu Gesicht bekommen haben. Definitiv reichen aber weder ein, noch zwei Tage Sightseeing aus, um ihr gerecht zu werden. Einem besonderen Ort werden wir morgen allerdings doch noch einen Besuch abstatten – der berühmten Union Station – dem Hauptbahnhof von Washington, von dem es morgen zum nächsten Ziel geht: New York City!